Gated Community

Schöne neue Welt…

 

Die Fellini-Residences in der Kommandantenstraße in Mitte drehen das Rad zurück in gesellschaftspolitisch düstere Jahre – ganz zu schweigen von der Architektursprache, die sich an die vermeintlich heile Welt der Vergangenheit anlehnt.

 

 

Business Improvement District [BID]

 

Schöne neue Welt, aseptisch und heil, bestehend aus gläsernen Konsument_innen.
© 2011 BID Passagenviertel
Quelle: www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/3004826/2011-08-03-bsu-bid-passagenviertel/

 

Zum Thema von großflächigen Investorenprojekten und Gated Communities gehören sogenannte ’Business Improvement Districts’ [BID]. Dabei werden ganze Stadtviertel wie Einkaufszentren gemanagt und private Sicherheitsdienste mit hoheitsähnlichen Rechten ausgestattet.
‚Leiter*innen von BIDs treten im Habitus der Stadtteilbürgermeister*innen auf und geben Anweisungen.‘
Arte: Wem gehören unsere Städte?

 

’Die Schlüsselfiguren sind Leute, deren Beruf nicht die Stadtplanung sondern das Geldmachen ist. Der Effekt ist pervers, denn es führt zu einer generellen Grundstücksverteuerung. Das erschwert der öffentlichen Hand ihre Aufgabe, ausgewogene Programme durchzusetzen und die Vielfalt und die Zugänglichkeit für weniger begüterte Menschen zu fördern.
Schließlich steigen alle Preise so, dass alle städtebaulichen Maßnahmen sehr viel mehr kosten als sie sollten.‘
[Frédéric Bonnet, Architekt | Agentur obras, partizipative Stadtentwicklung]

 

Der Teufelskreis schließt sich. ‚Auf dem Spiel steht der Zugang zu Wohnraum, Straßen, Plätzen und sonstigen Räumen der Begegnung. Die Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Raum verschwimmen.‘ 

Outlets mit ihren kitschigen Themen-Kulissenfassaden werden aus der Peripherie in die Stadtmorphologie implementiert. Sie höhlen die Stadt als Sozialraum von innen aus. ‚Funshopping im Dekor einer künstlichen Stadtarchitektur.‘  Die Stadt wird vollends durchökonomisiert und ‚verwandelt sich in ein Mosaik aus Enklaven.‘ 

Wenn schließlich einzelne Gated Commuities, Enklaven oder BIDs nach dem Gesetz des Marktes fusionieren, sind fiktive gesellschaftspolitische Horrorszenarien Wirklichkeit geworden.
[alle Zitate der beiden vorhergehenden Absätze aus dem Arte-Feature: Wem gehören unsere Städte?]

 

Die Nutzung des öffentlichen Raumes aber ist ein Menschenrecht. Wenn sich nicht konform verhaltende Menschen wie Schmutz entfernt werden, ist das nicht nur moralisch höchst bedenklich. Damit wird auch der Nährboden für eine gleichgeschaltete Masse geschaffen, die verlernt, sich auch mit unbequemen Wahrheiten auseinanderzusetzen.

Die Gesellschaft steht dann vor der existentiellen Frage, wie sich Gruppen annähern, die in verschiedenen Enklaven leben und sich nicht mehr auf andere Menschen einlassen wollen oder können.

 

Wie reagiert Berlin auf diese Herausforderungen?
’Das Land Berlin macht sich derzeit auf den Weg, die gesetzlichen Grundlagen für den Aufbau von Business Improvement Districts, die es in Hamburg schon länger gibt, zu schaffen.’

Und weiter: ’Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg arbeitet konkret an der Vorbereitung eines BID am Tempelhofer Damm. Die erfolgreichen Beispiele zeigen auch, dass den an der Potsdamer Straße ansässigen Gewerbetreibenden mit BID ein Instrument zur Verfügung stehen wird, mit dessen Hilfe sie in Selbstorganisation ihr Geschäftsumfeld eigenverantwortlich verbessern könnten.‘ Doch wer finanziert diese Entwicklung?

‚Die Gewerbegespräche werden mit Mitteln aus dem Programm Soziale Stadt über das Quartiersmanagement Schöneberger Norden gefördert.’
[Alle Zitate von schoeneberger-norden.de/Gewerbegespraech-zu-BID.3898.0.html ]

 

Die Stadt schafft sich – aus öffentlichen Mitteln gefördert – selber ab.
[Ein umstrittenes Zitat in einen anderen Kontext]

 

Der Potsdamer Platz ist von Anbeginn auf dem Weg in einen BID:
‚Insbesondere hat es uns gefreut zu erfahren, dass die PPMG auch für den Zustand des öffentlichen Raums Verantwortung übernimmt und entsprechende Gehwege ebendort regelmäßig – obwohl teilweise in bezirklicher Zuständigkeit – reinigen lässt.

Faktisch besteht somit am Potsdamer Platz Berlins erstes Business Improvement District, obwohl die Berliner Regierungskoalition aus SPD und CDU entsprechende gesetzliche Grundlage immer weiter hinauszögert und sich der Eindruck verfestigt, dass insbesondere die SPD entsprechende gesetzliche Grundlage zum Nachteil bezirklicher Zentren politisch ablehnt.‘
[Taylan Kurt, Die Grünen, Bürgerdeputierter im Wirtschaftsausschuss der BVV Mitte.
gruene-mitte.de/2014/03/03/wie-geht-es-weiter-mit-dem-potsdamer-platz/ ]

 

Selbst wenn man den BIDs unbedingt ‚positive‘ Effekte unterstellen möchte, geht die Entwicklung mit einer Aufwertung der ‚Qualität‘ der BIDs einher, also auch mit einer finanziellen Aufwertung des direkten Umfeldes. In der Folge dieser Aufwertung steigen die Preise, die, wie oben bereits erwähnt, wiederum städtebauliche und soziale Ausgleichsmaßnahmen verteuern.

 

Im Sinne einer offenen und humanen, heterogenen aber ausgeglichenen Stadtentwicklung gilt es zu verhindern, dass kommunale Verwaltungen an den Rand gedrängt werden. Wollen wir, dass Firmen Schulen sponsorn, dass in einer vielleicht nicht allzu fernen Zeit ganze Städte Firmenlogos tragen wie heute schon Veranstaltungsarenen?

 

Das staatliche Gewaltmonopol, unser aller demokratischen Rechte, dürfen weder verkauft noch verwässert werden.

Die obersten Handlungsgrundsätze müssen daher lauten:
Macht Kommunen wieder handlungsfähig.
Stattet Kommunen finanziell besser aus.
Beteiligt Bürger_innen an der Entwicklung des Gemeinguts Stadtraum.

 

 

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