Jahrhundertalte Überformung
Ein großer Teil der Originalsubstanz blieb trotz turbulenter Zeitläufe glücklicherweise erhalten. Als Ausgangspunkt der Betrachtungen soll unsere oben stehende Kollage dienen, die aus überandergelegten Bauantragsplänen aus dem Bauaktenarchiv Kreuzberg besteht. Sie verdeutlicht, wie sehr Areal und Gebäude in den Jahrhunderten beansprucht wurden. [blau: ursprüngliches Ensemble um 1865]
Zu Beginn möchten wir einen interessanten Punkt hervorheben:
Bereits am 31.03.1912 wurde die Verlängerung der Lankwitzstrasse [grün], heutige Ruhlsdorfer Straße, beschlossen und genehmigt. Auf den Bauantragsplänen wurde dieser Straßenverlauf eingezeichnet, um Bauanträge für dort hineinragende Objekte oder Bauteile versagen zu können.
Dazu ein Zitat aus einer der damaligen Begründungen von 1922: ‚Der Verwaltungsbezirk Kreuzberg umfaßt ein dichtbebautes Gebiet, in dem sich wegen des Fehlens jeglicher Besiedlungsflächen die Wohnungsnot besonders stark bemerkbar macht. […] Voraussetzung für die Erschliessung dieses Grundstücks ist aber der Ausbau der verlängerten Lankwitzstraße.‘ [Siehe dazu auch Foto 1922 weiter unten.]
Wie weit die Planungen gediehen waren, läßt sich am Altbestand der Bezirksamtsbauten ablesen [lila]. Der noch vorhandene, im Hof hinter dem Hochhaus an der Yorckstraße versteckte Altbau nimmt mit seiner schönen geschwungenen Straßenfassade samt des noch erhaltenen Bürgersteigs die Straßenverlängerung vorweg.
Die nordöstliche Ecke des alten Kasernengeländes wurde durch die Verlegung des Mehringdamms abgetrennt [rote Linien]. Das Rheinlandhaus wurde abgerissen. Sogar ein Teil der Aussenwände der nordöstlichen Erdgeschossräume des Hauptgebäudes wurde damals geöffnet, um dort hindurch eine Fussgängerpassage zu ermöglich.
Die folgenden Luftbildaufnahmen lassen Rückschlüsse darauf zu, welche der beantragten Gebäude auch tatsächlich errichtet wurden.
Luftbildaufnahme von 1928 aus südöstlicher Richtung
© Landesbildstelle Berlin
Luftbild von 1933 aus östlicher Richtung
Hier lassen sich besonders gut der Geräteschuppen und das 1913 erbaute Stallgebäude am linken Bildrand erkennen
ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv | Stiftung Luftbild Schweiz
Fotograf: Mittelholzer, Walter | LBS_MH02-15-0015 | Public Domain Mark
Luftbildaufnahme von 1930 aus nordöstlicher Richtung
Dieter Kramer | Kreuzberger Stadtteilgeschichte auf Postkarten
Teil 8, Rund um den Kreuzberg, Karte Nr. 804
© Dieter Kramer
Luftbildaufnahme der Kriegsschäden, Screenshot der Berliner Morgenpost
© Berliner Morgenpost
1949
Maeder Architekten
Entwurf Haus Rheinland für ein Kino [nicht realisiert]. Heute steht hier die ehemalige Wasch- und Tankanlage der Translag, in der sich der LPG-Biomarkt angesiedelt hat.
Quelle: Bauaktenarchiv Friedrichshain-Kreuzberg
Autor und Datum unbekannt – mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Zeit des oben stehenden Entwurfs.
Fotokollage des bestehenden Rheinlandhauses mit dem projektierten Kino in der Obentrautstraße
Quelle: Bauaktenarchiv Friedrichshain-Kreuzberg
1932
Architekt Heinrich Kosina
Bauantrag zum Umbau der ehemaligen Pferdeställe in eine Abschmierstation für Kraftfahrzeuge.
Quelle: Bauaktenarchiv Friedrichshain-Kreuzberg
1929
Bauantrag für Garagen und Grossboxen
Architekt Heinrich Kosina
Hier ist wieder die vorgesehene Trasse der Verlängerung der Lankwitzer Straße eingezeichnet. Die dort hineinragenden Garagenbauten wurden dennoch errichtet. Das ehemalige Haus für kranke Pferde ist nun eine Kantine. Die alte Schmiede fungiert als Autowerkstatt [’späterer Abriss‘] und der jetzige gemauerte Anbau an den ursprünglichen Stalltrakt war nur ein ‚Unterstellschuppen‘.
An der Zufahrt zur Teltower Straße [heute Obentrautstraße] befand sich eine Tankstelle mit zwei Zapfsäulen.
Quelle: Bauaktenarchiv Friedrichshain-Kreuzberg
Bauantrag für Waschhalle und Tankanlage des Generalpächters Translag
Architekt Heinrich Kosina
Denkmalschutzstatus seit 2013
Quelle: Bauaktenarchiv Friedrichshain-Kreuzberg
1927-29
Bauantrag für das Rheinlandhaus
Architekt Heinrich Kosina
Die Grundrisspläne stammen aus dem Jahr 1927, der Lageplan aus dem Jahr 1929. Im Lageplan ist die Grundfläche der Offizier-Speiseanstalt, direkt nördlich an das Hauptgebäude angrenzend, eingezeichnet. Sie wird für den Neubau, der im Erdgeschoss einen Verkaufsraum für Adler-Neuwagen beherbergt, abgerissen.
Quelle: Bauaktenarchiv Friedrichshain-Kreuzberg
1927
Bauantrag für eine ‚Reparaturwerkstätte der Adler-Werke‚ – sie soll direkt an die alte Reithalle anschliessen.
Architekt Walter Hämer
Quelle: Bauaktenarchiv Friedrichshain-Kreuzberg
1925
Bauantrag für eine Dapolin-Pumpanlage [Tankstelle] der Deutsch-Amerikanischen Petroleumgesellschaft. Dapolin ging später in Standard Oil über, diese wiederum in ESSO [phonetisch für die Anfangsbuchstaben von Standard Oil: Ess-O ], die ihrerseits heute Teil des Konzerns ExxonMobil ist.
Bisher wurden 3 Altlastenverdachtspunkte auf dem Gelände der ehemaligen Dragonerkaserne per Gutachten untersucht. Es ist zu vermuten, dass über die Jahrzehnte wesentlich mehr Punkte der potentiellen Eintragung ins Erdreich existierten [siehe dazu auch 1920 ‚Benzinschlammfang‘ unter der neuen Reithalle, 1929 ‚Tankstelle‘ neben den Garagen, 1932 ‚Abschmierstationen‘]
Quelle: Bauaktenarchiv Friedrichshain-Kreuzberg
1922
Begründung zur Versagung eines Bauantrages. Wie in der Abbildung ganz oben auf dieser Seite erkennbar, hatte die Verlängerung der Lankwitzer Straße Priorität. Bauanträge, die diese Baufluchtlinie nicht berücksichtigten, wurden nicht genehmigt.
1920
Bauantrag ‚zur vorübergehenden Unterbringung von Kraftfahrzeugen der Entente [allierte Siegermächte des Ersten Weltkriegs] im neuen Reithaus Berlin‘
Architekt unbekannt
Interessant der Hinweis am unteren Bildrand: ‚Benzinschlammfang 0.90/0.90/1.00 mit Geruchverschluss und Entlüftung‘
Bauantrag ‚zum Einbau eines Büro- und Wohlfahrtsraumes im alten Reithaus jetzt Kraftwagenraum der interalliierten Kommission‘
Quelle: Bauaktenarchiv Friedrichshain-Kreuzberg
1909
Bauantrag für die ‚Offizier-Speiseanstalt‘ an der Nordseite des Hautgebäudes mit den Soldatenunterkünften, heute Finanzamt Kreuzberg.
Architekt unbekannt
Die Speiseanstalt wurde für den Neubau des Rheinlandhauses [1927] des Generalpächters Translag abgerissen.
Quelle: Bauaktenarchiv Friedrichshain-Kreuzberg
1899
Bauantrag für den Neubau der Beschlagschmiede
Architekt unbekannt
Quelle: Bauaktenarchiv Friedrichshain-Kreuzberg
1889
Bauantrag für eine zweite Reitbahn
Architekt unbekannt, Bau unter Aufsicht von ‚Garnison-Bauinsprector‘ Bohm
Quelle: Bauaktenarchiv Friedrichshain-Kreuzberg
1887
Umbau und Erweiterung der Latrinen
‚Garnison-Bauinsprector‘ Bohm
Der erste dokumentierte Bauantrag auf dem Gelände der Upstall- oder Dragoner-Kaserne
Quelle: Bauaktenarchiv Friedrichshain-Kreuzberg